In der Reihe „LIEBLINGSSTÜCKE“ hat uns unser Dozent Rupert Gredler einen Text über das liebste Bild seiner eigenen Werke zugesandt
Rupert Gredler, mein Lieblingsbild
„Der Aufstieg scheint unaufhaltsam“ war einmal mein Lieblingsbild, wird es vielleicht auch wieder einmal sein. Lieblingsbilder wechseln sich ab, – in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen. „Der Aufstieg….“ ist aber das bislang wichtigste Bild – aus mehreren Gründen:
Der wichtigste ist wohl jener, der mir und sicher auch dem Betrachter vor Augen führt, dass ich mich aus dem Studium der Malerei bei meinem Wiener Lehrer Franz Luby davon gemacht habe, um jene Bildsprache anzuwenden, die ich eigentlich von Beginn an im Visier hatte: Menschenmalerei, Porträtmalerei in expressiver Weise ohne die Verzerrungen über eine Grenze hinauszutreiben. Franz Luby ist ein Wiener Phantast mit vielfältigen Bildgeschichten, allegorisch, larmoyant, überhäuft mit Anspielungen. Wer seine Ikonografie nicht kennt, tut sich mitunter schwer, seine Bilder zu lesen. Das alles habe ich in Bildern durchgespielt und mich von alledem im „Aufstieg“ verabschiedet. Realistisch, grotesk, übertrieben, klar und expressiv sind vermutlich meine Hauptadjektive, – manchmal ironisch, manchmal humoristisch. Menschenanhäufungen, Menschentürme, ineinander verkeilt, kräftige Farben, Verrenkungen aber keine Zerstörungen, keine wirklichen Deformationen. Ein Artikel des Museums der Moderne in Salzburg zählt mich zum Neoexpressionismus.
Das darf sein.
Die dargestellten Menschen gibt es, bisweilen mit Porträtcharakter, die gemalten Protagonisten und ihre Attribute sind nie Erfindungen. Ich muss alles, was ich male, als Modell vor mir haben. Seltsame Ansammlungen ergeben sich im Atelier, wenn ich ein Vorhaben umsetzte. Nicht jedes gelingt, nicht jede Anhäufung von Menschen und Dingen ist malbar, ist ertragreich – bildnerisch. Ich halte mich da an den von mir sehr geschätzten Berliner Maler Johannes Grützke, der mir gezeigt hat, dass in einer Zeit, in der die realistische Malerei im deutschsprachigen Raum diffamiert war, Maler wichtige Menschenbilder malen können und, was von Bedeutung ist, damit reüssieren. Wir malen nicht ausschließlich für uns und unsere Schubladen. Frei nach einem Titel seiner Ausstellung in Kassel:
Während der Documenta wegen der Documenta außerhalb der Documenta.
Das alles hat sich gelegt und ich male weiterhin Menschen, Porträts, Stillleben – vieles , was mir unter die Finger kommt und sich malen lässt, mit – ich würde sagen – süddeutschem, nicht Wiener (ostösterreichischem) Timbre. All das wäre mir nicht möglich gewesen, wenn es ganz zu Beginn den „Aufstieg“ nicht gegeben hätte. Er hat bereits eine gewisse Provenienz und ist im Augenblick wieder bei mir. Er ist nach wie vor das wichtigste Bild für mich.
Rupert Gredler im März 2020